Aktuell gibt es vielfache Behandlungsangebote für Beschwerden und Symptome, die auf Störungen des Sehens zurückgeführt werden. Dabei handelt es sich um Sehschwächen (Amblyopien), Kopfschmerzen, Lese-Recht-Schreibstörung (Legasthenie), Leseunlust, Rechenschwäche (Dyskalkulie), Konzentrationsstörungen etc. Eine Abgrenzung der verschiedenen Behandlungsmethoden bezüglich ihrer medizinisch evidenz-basierten Wirksamkeit ist sehr schwierig. Wir geben einen kurzen Überblick über einige der derzeitigen, sich auf dem Markt befindlichen Sehtrainingsprogramme.  

 

Sehschwächen (Amblyopien)


Verschiedene Trainingsansätze befinden sich im Stadium der Erprobung. Dazu gehört das sog. „Visual Perceptual learning“, übersetzt: Erlernen der visuellen Wahrnehmung. Es handelt sich dabei um ein visuelles Training des sehschwachen Auges – bei Kindern und Erwachsenen - mit einem spezifischen Hintergrundmuster und vordergründigen Videospielen. Forschungsergebnisse hierzu werden ca. 2015 aus den USA zu erwarten sein. 
Caterna, Spielen statt Schielen, das zur Behandlung eines sehschwachen Auges bei Kindern eingesetzt wird. Es wurde von Dr. rer. nat. U. Kämpf, von der TU in Dresden entwickelt und mit weiteren Mitarbeitern zum Vertrieb über das Internet weiter entwickelt. Dabei werden sich bewegende Streifenmuster unterschiedlicher Breite auf dem Bildschirm dargestellt, die Sinneszellen, die für das Sehen zuständig sind, anregen sollen. Im Vordergrund können die Kinder die Aufmerksamkeit erhaschende Videospiele ausführen. Die bisherigen Studien konnten leider die Wirksamkeit des Hintergrundmusters NICHT bestätigen. Dennoch kann diese Methode als zusätzlich zur Zuklebebehandlung (Okklusionstherapie) bei Sehschwächen angewandt werden.


Visualtraining


Ein Visualtraining ist ein Training, das von Optometrist :innen „Funktionsstörungen, die bei gesunden Augen aufgrund eines gestörten Sehverhaltens oder einer fehlerhaften Entwicklung auftreten und zu Problemen der visuellen Wahrnehmung führen.“ 
Dabei soll eine Verbesserung der Sehkraft, der Augenbeweglichkeit und der Zusammenarbeit beider Augen erzielt werden. 
Nach unseren hiesigen Forschungsstandards reicht die Dokumentation über die klinischen Forschungsergebnisse und wissenschaftlichen Unterstützungen zur Belegung für die Effektivität des Visualtrainings nicht aus. 
Im Internet findet man unter dem Begriff Visualtraining auch Seminare von Sehtrainern, die z. B. die Sehkraft durch gezielte Augenübungen soweit verbessern wollen, dass das Tragen einer Brille überflüssig wird.
In Veröffentlichungen wird die Visualtherapie auch Visualtraining, Augentraining und Augenübungen, leider auch fälschlicherweise Orthoptik genannt! Ihr Zweck ist es, eine sehbedingte Fehlfunktion zu heilen oder zu verbessern. In den USA gilt jedoch eine andere Rechtsgrundlage als in Österreich. In den USA ist es Optometrist :innen erlaubt, optometrisches Visualtraining im klinischen Bereich anzuwenden so dass von Diagnose und Medikamentierung die Rede ist. Dies ist in Österreich den Ärzt :innen vorbehalten. Um in Österreich als Funktionaloptometrist :in arbeiten zu können, bedarf es einer speziellen Zusatzausbildung.
Das  Binokulartraining (gehört auch zur Visualtherapie) soll die vom Gehirn gesteuerte Unterdrückung von Seheindrücken reduzieren. Dies ist nicht zu verwechseln mit einer orthoptischen Fusionsschulung, die bei Problemen in der Zusammenarbeit beider Augen durchgeführt wird. Bedenklich ist hier vor allem, dass diese Übungen bei Kindern mit einem kleinwinkligen Schielen zu andauernder Doppelsichtigkeit führen können.


Training der Blicksteuerung (Blicklabor)


Hier wird die Augenbeweglichkeit trainiert, die beim Lesen eingesetzt wird. Normalerweise werden beim Lesen sog. Blicksprünge in die Leserichtung ausgeführt, wenige nur in die Gegenrichtung. Bei z. B. Lese-Rechtschreibschwächen konnte man beobachten, dass viele kleine Blicksprünge in Leserichtung und vermehrt welche in die Gegenrichtung. Diese mangelhafte Blicksteuerung wird mit speziellen Methoden versucht zu verbessern. Leider fehlt auch hier ein evidenz-basierter Nachweis für eine tatsächliche Verbesserung des Lesens. 
Besser Sehen durch Augenaufstellung und ganzheitliche Sehübungen von M. Wiendl: 
Dies behandelt ähnlich einer Familienaufstellung in der Psychologie, von der Augenaufstellung zum besseren Verständnis der psychischen Belastung durch die Erkrankung. Es wird auch von Augenoptiker :innen, Sehtrainer :innen und Funktional-optometrist :innen als Seminar angeboten. In der Psychologie bzw. Therapie kennt man die Familienaufstellung. Bei der Augenaufstellung wird mit Hilfe eines Stellvertreters z. B. die Fehlsichtigkeit aufgezeigt. Durch Interaktion mit dem Leiter soll eine Lösung erarbeitet werden und das Sehen somit verbessert werden. Ein wissenschaftlicher Nachweis für diese Methode fehlt bislang.


Irlen-Filter


Irlen-Filter, nach einer amerikanischen Psychologin benannt, soll bei Legastheniker :innen eine Leseverbesserung durch spezielle Farbfilter erreichen. Die IRLEN Methode (Skotopisches Empfindlichkeitssyndrom) fand ihren anfänglichen Anwendungsbereich in den 8´0-ger in den USA. Heute findet man positive Erfahrungsberichte bei Autismus (Autismus Südbaden e. V.), erforscht nach unseren Standards ist die Methode jedoch nicht. Mittlerweile gibt es über 40 Irlen-Zentren weltweit. Mehrere Studien zeigen unterschiedliche Ergebnisse, wobei ein sog. Placeboeffekt nicht ausgeschlossen werden kann.
Alle Methoden lassen viele Fragen offen. Und alle Behandlungsmethoden bedürfen einer verstärkten persönlichen Zuwendung, die häufig schon feine Verbesserung der Beschwerden und Symptome bewirken.
Von großer Bedeutung ist aber, dass zunächst alle Beschwerden und Symptome der Patient :innen und Angehörigen fachkompetent, medizinisch interdisziplinär umfassend untersucht und behandelt werden müssen. 
Hierzu gehört auch eine ausführliche, verständliche Aufklärung für die erforderlichen medizinischen Therapien.


Winkelfehlsichtigkeit - Was ist das?


Als "Winkelfehlsichtigkeit" wird das Ergebnis der sogenannten Mess- und Korrektionsmethodik nach H.-J. Haase (MKH) bezeichnet. Bei diesem Verfahren werden Testbilder so dargeboten, dass nur bestimmte Bildanteile mit beiden Augen wahrgenommen werden können. Andere Anteile werden durch Polarisationsfilter für das rechte und linke Auge getrennt dargeboten und dadurch entweder nur mit dem rechten oder nur mit dem linken Auge gesehen. Aufgabe der untersuchten Person ist es, anzugeben, ob sie die verschiedenen Anteile der Testfiguren symmetrisch angeordnet wahrnimmt. Ist dies nicht der Fall, wird versucht, die Symmetrie mit Prismengläsern herbeizuführen. Gelingt dies nicht dauerhaft, werden die Prismengläser in Folgeuntersuchungen schrittweise verstärkt. Schließlich kann die durch Prismen herbeigeführte Winkelstellung so groß sein, dass eine Augenmuskeloperation erforderlich wird.
Ziel der MKH-Methodik ist es, die Augen in eine Winkelstellung zu bringen, in der das Sehen möglichst anstrengungsfrei sein soll. Bei Kindern sollen die aufgrund der MKH-Methodik verordneten Prismengläser zu einer Besserung der Fein- und Grobmotorik führen können. Auch soll es mit den Prismengläsern möglich sein, allgemeine Konzentrationsstörungen und Leseschwäche zu bessern.
Bei wissenschaftlichen Überprüfungen hat sich allerdings gezeigt, dass die Grundlagen der MKH-Methodik fehlerhaft sind. Daher stehen die meisten Orthoptistinnen und Augenärzte der Empfehlung, eine "Winkelfehlsichtigkeit"durch Prismengläser zu korrigieren, skeptisch gegenüber.
Von der Winkelfehlsichtigkeit unterscheidet sich grundsätzlich das latente(=versteckte) Schielen (Heterophorie), ein medizinischer, wissenschaftlich belegter Begriff. Latentes Schielen findet sich bei 75% aller Menschen. Unter normalen Sehbedingungen stehen die Augen dieser Menschen richtig. Erst wenn man eines ihrer Augen verdeckt, weicht dieses in eine Schielstellung ab. Nur bei wenigen Menschen führt latentes Schielen zu Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Augenbrennen bei längerem Lesen. Liegen Beschwerden aufgrund des latenten Schielens vor, so können Prismengläser hilfreich sein. In diesen seltenen Fällen sollte das schwächste Prisma verordnet werden, welches unter natürlichen Sehbedingungen als angenehm empfunden wird.


mit freundlicher Genehmigung von Angelika Cordey, Orthoptistin Universitäts-Augenklinik, Sehbehindertenambulanz und Low-Vision Forschungslabor Schleichstrasse 12-16, 72076 Tübingen Urheberrecht liegt bei der Zeitschrift Ergotherapie