Eine Untersuchung aus den USA soll erste Hinweise liefern, dass Smartphones Kinder dumm machen. Die Handy-Kritiker haben den Forschern aber nicht bis zum Ende zugehört. Ein Interview mit einer US-Hirnforscherin reichte, um Eltern auf der ganzen Welt zu verunsichern: Kinder, die viel Zeit vor Bildschirmen verbringen, haben einen dünneren Gehirn-Kortex, erzählte Gaya Dowling vom National Institutes of Health (NIH) dem US-Sender CBS vor gut einer Woche. Zahlreiche Medien griffen den Bericht seither auf. "So verändern Handys die Gehirne unserer Kinder", titelte beispielsweise die "Bild". Doch stimmt das wirklich?

Klar ist: Schon Zweijährige kommen oft gut mit Smartphones und Tablets klar, wie eine Studie im Jahr 2015 gezeigt hat. Jedes zweite Kind im Alter von neun Jahren besitzt bereits ein Handy, mit 13 Jahren sind es sogar 92 Prozent. Wie sich die Mediennutzung langfristig auf die Gehirnentwicklung auswirkt, bleibt jedoch unklar. Es fehlt an belastbaren Studienergebnissen.

Normaler Prozess

Das soll eine großangelegte US-Studie nun ändern, bei der die Hirnentwicklung von mehr als 11.800 Kindern über zehn Jahre hinweg beobachtet werden soll. Kostenpunkt: 300 Millionen Dollar. An genau dieser Studie arbeitet auch Dowling mit, die mit ihrem Interview für die Aufregung gesorgt hat.

Bei Kindern, die mehr als sieben Stunden pro Tag Smartphones, Tablets oder Videospiele nutzen, hätten die Forscher Veränderungen am Gehirn festgestellt, sagte Dowling in dem Interview. Der Hirnkortex der betroffenen Kinder sei beispielsweise dünner. "Das ist die faltige äußerste Schicht des Gehirns, die Informationen der fünf Sinne verarbeitet", erklärte Dowling. Der Beweis schien erbracht: Smartphones lassen das Gehirn von Kindern schrumpfen.

Viele Medien übersahen jedoch, was die Forscherin sonst noch so gesagt hat - und das klang deutlich weniger bedrohlich:

Ein dünner werdender Kortex gehört laut Dowling zum Reifungsprozess des Gehirns dazu. "Was wir später erwarten würden, passierte also etwas früher." Zudem könnten die Forscher noch nicht sagen, ob wirklich die Mediennutzung für die Veränderung des Gehirns verantwortlich sei oder ob es andere Gründe dafür gebe. Unklar sei auch, wie sich ein dünnerer Kortex überhaupt auswirkt. Dafür seien längere Untersuchungen nötig. Die Studie habe aber gerade erst begonnen.

Ergebnisse kommen erst in mehreren Jahren

Unklar blieb auch, bei wie vielen Kindern ein dünnerer Hirnkortex nachgewiesen wurde. Bisher haben die Ärzte nach eigenen Angaben Hirnscans von 4500 Probanden untersucht. Wie viele dieser Kinder mehr als sieben Stunden am Tag vor dem Smartphone, dem Fernseher oder der Konsole hocken, teilten die Forscher bisher nicht mit. Es dürften jedoch nur wenige sein. Zum Vergleich: In Deutschland verbringen Jugendliche zwischen 10 und 17 Jahren durchschnittlich zweieinhalb Stunden pro Tag vor Bildschirmen.

Fazit: Es bleibt weiter unklar, ob Mediennutzung das Gehirn von Kindern verändert. Dowling selbst rechnet erst in mehreren Jahren mit validen Ergebnissen.

Vorsicht: Lesesucht

Doch auch wenn die Forschung noch keine Antworten liefern kann, die Sorge vieler Eltern bleibt. Auch viele Ärzte und Psychologen sind sich einig: Zu viel Zeit vorm Bildschirm kann Kindern schaden, gerade wenn sie sich dadurch weniger bewegen. Und nicht nur Eltern sind genervt, wenn der Nachwuchs dauernd aufs Handy starrt, sondern auch die Kinder. Ein Grundschüler hat sogar kürzlich eine Demo gegen Smartphones organisiert.

Was in der Smartphone-Hysterie auch helfen kann, ist etwas mehr Gelassenheit. Schon seit Jahrhunderten verdammen Eltern und Pädagogen reflexartig jedes neue Medium. Im 18. Jahrhunderten warnten Forscher beispielsweise vor der Lesesucht. Der Erzieher Karl G. Bauer klagte: "Der Mangel aller körperlichen Bewegung beim Lesen, in Verbindung mit der so gewaltsamen Abwechslung von Vorstellungen und Empfindungen führt zu Schlaffheit, Verschleimungen, Blähungen und Verstopfung in den Eingeweiden."